Fr, 17:30
Literatur
ERNST JANDL DOZENTUR FÜR POETIK 2020 *ohne Live-Stream*
Michael Donhauser: Zu den Dingen
1. Vorlesung
Michael Donhauser schreibt zu seinen zwei Vorlesungen:
In einer Erzählung, die von der zweiten Hälfte der 80er Jahre ihren Ausgang nimmt, reflektiere ich die Anfänge meines Schreibens sowie die Weise der damaligen Wahrnehmung in ihrer gegenseitigen Bedingtheit. Sodann beschäftigt mich, wie das Ding, Gegenstand der Betrachtung, und der Klang, melodiöser Teil der Sprache, sich zueinander verhalten. –
Was mich nebst dem Versuch, einem Foto sowie einem Diptychon von Tuschzeichnungen durch Beschreibungen zu entsprechen, herausfordert, ist die Frage, wie das, was künstlerisches Verfahren genannt wird, auf seine Notwendigkeit hin erörtert werden kann.
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Eingebettet sind die beiden Vorlesungen von Michael Donhauser in die Semestervorlesung, die Thomas Eder am Institut für Germanistik der Universität im Sommersemester 2020 unter dem Titel „Gegenstände in der Literatur” hält.
„Gegenstände in der Literatur” meint zum einen die Befragung, wie Dinge in literarischen Texten gestaltet werden, welche Rolle sie in erzählenden Texten und Gedichten spielen, welche sprachlichen Mittel und Verfahren benutzt werden, um sie zu beschreiben und wirken zu lassen. Was als “material culture”, “material turn” und Dingbedeutsamkeit in der Forschung verschiedener Disziplinen in den letzten Jahren eine Hausse erlebt hat, soll im Zentrum dieser Betrachtung aus literaturwissenschaftlicher Perspektive stehen.
Zum anderen stellt die Vorlesung die allgemeinere Frage, was es überhaupt heißen kann: einen Gegenstand haben, sich auf Gegenstände und Sachverhalte, seien sie real oder vorgestellt, zu beziehen? Hier wird eine Diskussion des von Franz Brentano in die moderne Diskussion eingebrachten Konzepts der Intentionalität eine Rolle spielen, worunter er grob gesagt die „Beziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Objekt […] oder die immanente Gegenständlichkeit“ (Brentano 1874) versteht. Ebenso soll es um die Erweiterungen dieses Konzepts bei Edmund Husserl und Christian von Ehrenfels und in der Phänomenologie allgemein wie auch bei Philosophen wie John Searle gehen. Wie sich diese philosophischen und psychologischen Konzepte auf literaturwissenschaftliche Betrachtungen von Texten anwenden lassen, ist einer der Schwerpunkte der Semestervorlesung.
Ein anderer Schwerpunkt wird der Frage nach den Erlebnissen beim Lesen von literarischen Texten und dem damit zusammenhängenden Konzept der “experientiality”, also den konkreten Erfahrungsprozessen beim Produzieren und Rezipieren von Literatur aus der Perspektive der kognitiven Poetik und der empirischen Literaturforschung nachgehen. Die Vorstellungen, die sich in den Köpfen der Lesenden beim Lesen und Interpretieren von Gedichten und Prosatexten mit Dingbezug einstellen, sind einerseits unverzichtbar für das angemessene Verstehen, können andererseits am ehesten mit Hilfe der psychologischen Methode der Selbstbeobachtung beschrieben werden.
Als Textcorpus kommen neben den Gedichten, Prosastücken und Essays von Michael Donhauser vor allem literarische Werke in den Blick, anhand deren Gegenstände und der Gegenstandsbezug augenfällig werden. (Adalbert Stifter, Franz Kafka, Francis Ponge, …)
Der Dichter Michael Donhauser wird im Rahmen der Semestervorlesung zwei Poetikvorlesungen zu Gegenständen in der Literatur halten. Donhauser entwickelt und beschreibt eine lyrische Phänomenologie der Dinge, angelehnt an den und zugleich kritisch abgesetzt vom französischen Dichter Francis Ponge (1899–1988) und dessen Poetik der akribischen Naturdeskription.
(Thomas Eder)
Michael Donhauser, *1956 in Vaduz, studierte Germanistik und Romanistik, lebt in Wien und Vaduz. Lyrik, Prosa und Übersetzungen aus dem Französischen (u.a. Rimbaud, Ponge). Auszeichnungen, u.a.: Ernst-Jandl-Preis 2005, Georg-Trakl-Preis 2009. Publikationen (Auswahl): Der Holunder. Prosagedichte (1986); Edgar. Erzähung (1987); Die Wörtlichkeit der Quitte. Prosagedichte (1990); Dich noch und. Liebes- und Lobgedichte (1991); Von den Dingen. Prosagedichte (1993); Das neue Leben. 78 Dreizeiler (1994); Livia oder Die Reise. Roman (1996); Sarganserland. Gedichte (1999); Die Gärten. Paris (2000); Die Elster. Nach Claude Monets »La pie« (2002); Vom Schnee (2003); Vom Sehen. Prosa (2004); Ich habe lange nicht doch nur an dich gedacht (2005); Schönste Lieder (2007); Edgar und die anderen. Erzählungen (2008); Nahe der Neige (2009); Variationen in Prosa (2013); Waldwand. Eine Paraphrase (2016); Schönste Lieder. Einsame Fuge (2019).
Thomas Eder, *1968, Literaturwissenschaftler und -vermittler. Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik der Universität Wien, Referatsleiter für Publikationswesen und Grafik im österreichischen Bundeskanzleramt. Jüngste Publikationen: Kosmöschen Steiger (Hg., 2015); Konrad Bayer. Texte – Bilder – Sounds (hg. mit K. Kastberger, 2015); Selbstbeobachtung. Oswald Wieners Denkpsychologie (hg. mit T. Raab, 2015); Einfache Frage: Was ist gute Literatur (hg. mit Huber, Kim, Neumann, Neundlinger, 2016); Franz Josef Czernin (Hg., 2017).
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Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen in der Alten Schmiede
Hinweise für Personen mit eingeschränkter Mobilität:
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