Mo., 19:00
AS
Reihe Textvorstellungen – Motto: Nur keine Ewigkeitsfloskeln!
PETRA GANGLBAUER (Wien) WIE EINE LANDSCHAFT AUS DEM JAHRE SCHNEE. Kurzprosa (Bibliothek der Provinz, 2017) • STANISLAV STRUHAR (Wien) DIE VERLASSENEN. Roman (Wieser Verlag, 2017) • Redaktion und Moderation: MIEZE MEDUSA
In beschwörender Wiederholung erzählt Petra Ganglbauer von den Horizonten unserer Wahrnehmung. Zwischen hier und dort gibt es einen »Ort, parallel«, in dem »damals, in der Zukunft« Geschichte portioniert wird, passend gemacht für eine Informationsmaschinerie, die uns auf Distanz hält und taub macht. Beschwörend ist der Text, einlullend nicht. »Die verlogenen Blicke darauf, schreien sich die Seele aus dem Gedächtnis.« Prosaminiaturen sind in Folge geschaltet, wie die in Einzelteile zerrupfte Welt, die uns medial präsentiert wird. Im Hier gibt es den Luxus einer aufwändigeren Sprache, im Dort nicht mehr. Die Katastrophe ist Gegenwart geworden, die einfache Sprache dringlich wie die Kälte, die uns dazu bringt, zu versuchen, Berge zu verheizen. Hier wie dort bleiben die Individuen anonym, ist die Welt Landschaft. »Unser Wortschatz bröckelt, unsere Wurzel.« Übrig bleiben Begriffe mit großer Oberfläche und Spannkraft: Schnee, Landschaft, Glätte, Abgrund und die Idee des Trostes, des radikalen Weiterdenkens. Was passiert, wenn wir maximal verdünnt werden? Werden wir dann eins?
Der Vater ist unbekannt verzogen. Stanislav Struhar schickt in seinem Roman Die Verlassenen seinen Protagonisten auf die Suche, die ihn nach Ventimiglia führt. Er findet Spuren des Vaters, Menschen, die ihn gekannt haben. Zu viel, um die Suche abzubrechen, zu wenig, um den nächsten Schritt zu kennen. Anja, die letzte Verbindung in die Heimat, ist abgereist, das Handy hat er im Zug vergessen. Heimatlos lässt er sich treiben, findet Anschluss, darf eine Wohnung bewohnen, beobachtet die Stadt und deren Einwohner. Erfrischend ist der doppelte Blick von außen: Wie Gabriel sind wir fremd in der beschriebenen Stadt, doch auch in Wien ist seine Heimat brüchig. »Sie ist auch eine Ausländerin«, wird ihm Mirela vorgestellt, die Teil ist einer gastfreundlichen Truppe, aber eben nicht Teil der Heimat. Die Figuren des Romans sind europäisch und entwurzelt zugleich, mit abtastender Herzlichkeit ausgestattet und auf der Suche nach einer Zukunft, die der Gegenwart Atem lässt.
(Mieze Medusa)
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