Mo., 18:00
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GEDÄCHTNISMOMENTE DER LITERATUR – BEIM WIEDERLESEN des Romans:
HERRENJAHRE (Residenz Verlag, 1976; 2015) von GERNOT WOLFGRUBER (*1944) • LYDIA MISCHKULNIG (Wien) liest und kommentiert • mit freundlicher Zustimmung des Autors und des Residenz Verlages
Der suchende Bruno Melzer hat das Pech, an das Glück zu glauben, bis er in die Resignation gezwungen sein wird. Seine Entscheidungen im Arbeitsleben, um einen Aufstieg und einen Ausstieg aus den gesellschaftlichen und intimen Verhältnissen zu schaffen, sind weder frei zu treffen, noch gelingt ihm irgendeine andere Befreiung aus den Zwängen als Familienvater, Heimwerker und Fabrikarbeiter. Die soziale Verstrickung nimmt zu, bis Spott und Verachtung aus der Erniedrigung in den freitäglichen Herrenrunden generiert werden. Die Selbstentwertung wird ins Verhältnis zur Frau, zur Ehefrau, als Häme übertragen. Die Enge ist weder im privaten noch im öffentlichen Leben aufzubrechen. Die ökonomischen Bedingungen steuern Bruno Melzers Sehnsüchte bis in die finale Partnersuche via Annonce. Nicht einmal der Zufall inszeniert einen Ausweg. Alles scheint in Schicksalshaft genommen zu sein. Nachdem ein Frauenvolksbegehren wieder einmal auf die Ungleichheit in der heutigen Verteilung des Kapitals hinwies, die #metoo-Debatte Wellen schlug, und ich dabei »Herrenjahre« wiedergelesen habe, worin ein Mann das Opfer ist, erscheint es mir notwendig, Gernot Wolfgrubers Roman in den unübersichtlichen Zeiten meines Heutes vorzuführen. Es geht drum, nie aus den Augen zu verlieren, dass die Ökonomie, und wer über sie bestimmt, jeden und jede von uns bis ins Mark durchdringt. Nichts anderes erzählt dieser Roman radikal und unerbittlich und ist dadurch Dokument literarischer Gültigkeit und einer Realität, deren Problematik nicht nur den siebziger Jahren entspricht. (Lydia Mischkulnig)
Gernot Wolfgruber, *1944 in Gmünd/NÖ, lebt in Wien. Nach einer Lehre in wechselnden Berufen tätig, Studium der Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Bekanntheit erlangte er in den 70er Jahren mit den Romanen Auf freiem Fuß (1975; 2009) und Herrenjahre. Publikationen (Auswahl): Der Jagdgast (Drehbuch, 1978); Niemandsland (1978); Verlauf eines Sommers (1981); Wiener Schnitzel oder High noon (Hörspiel mit Helmut Zenker, 1981); Die Nähe der Sonne (1985). 1989 Österreichischer Würdigungspreis für Literatur.
Lydia Mischkulnig, *1963 in Klagenfurt; *1963 in Klagenfurt, literarisch tätig seit 1991, lebt in Wien. Lehraufträge am Wiener Institut für Sprachkunst, Gastprofessuren in Japan; Seit 2007 Schreibprojekt Tinternational Textunternehmen mit Sabine Scholl. Zuletzt erschienen: Macht euch keine Sorgen. Neun Heimsuchungen (2009); Schwestern der Angst. Roman (2010); Vom Gebrauch der Wünsche. Roman (2014). Die Paradiesmaschine. Erzählungen (2016). In der Alten Schmiede konzipierte und moderierte sie u.a. die Gesprächsreihe Werk Leben (Autorinnenprojekt, 2013-15). Ausgezeichnet zuletzt mit dem Veza-Canetti-Preis und dem Johann-Beer-Preis 2017.
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