Do, 19:00
AS
Kleinstadttristesse und Kein Dorfkrimi • Lesungen, Gespräche
LORENZ LANGENEGGER (Wien – Zürich) liest aus DORFFRIEDEN. Roman (Jung und Jung, 2016)* • BIRGIT BIRNBACHER (Salzburg) liest aus WIR OHNE WAL. Roman (Jung und Jung, 2016) • Einleitungen und Moderation: Markus Köhle • *mit freundlicher Unterstützung durch die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
In seinem dritten Roman erfindet Lorenz Langenegger einen auf Anhieb sympathischen und sehr eigentümlichen Helden: den Polizeiwachtmeister Wattenhofer. Dieser versieht in einer beschaulichen, reichen Seegemeinde in der Provinz seinen Dienst. Es passiert natürlich nichts in der perfekten Idylle, ein Fall muss aber trotzdem her, denn bekanntlich ist die Welt alles, was ein Fall ist, und so entspinnt sich mitten im Dorffrieden aufgrund eines gefundenen Tschickpackerls vor der Schule ein ebensolcher. Dieser Fall dient allerdings vorwiegend dazu, die Familiengeschichte aufzurollen. Der Sohn rebelliert, das Midlife kriselt, in der Ehe war auch schon mal mehr Pfeffer, aber immerhin – das E-Bike spurt. Dieser Anti-Krimi wickelt einen derart angenehm um den Finger, dass man mit Wattenhofer mitleidet und den Schmerz – Gummistiefel brechen Wattenhofer die Nase – richtiggehend spürt. Der Autor versteht es darüberhinaus, seinen Finger trefflich in offene Wunden des Ehelebens zu legen und wunderbar selbstironisch darin herumzubohren. Und ja: Dorffrieden hat auch Spannung – ganz ohne Leichen. Wie es Langenegger schließlich gelingt, diesen Fall mit sanfter Landung zu lösen, ist restlos überzeugend. (Markus Köhle)
Lorenz Langenegger, *1980 in der Schweiz, lebt als Dramatiker, Roman- und Hörspielautor in Wien und Zürich. Studium der Theater- und Politikwissenschaft in Bern. Zahlreiche Uraufführungen im deutschsprachigen Raum, Veröffentlichung der Romane Hier im Regen (2009) und Bei 30 Grad im Schatten (2014).
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Birgit Birnbachers Figuren lassen Wale steigen, leihen sich Geld bei der Bank für eine Fischbude in Camden, klettern einarmig auf den Springturm im Freibad, wenn Herbst ist, sitzen mit anderen nackt in fremden Wohnzimmern, wollen was tun, aber am liebsten was Großes. Sie sind politisch, fühlen sich machtlos, solidarisieren sich. Nehmen Drogen, aus Langeweile, überfallen eine Tankstelle, aus Dummheit. Sie leben in der Kleinstadt, sie wollen nicht unbedingt weg, aber hier sein allein reicht nicht. Sie suchen ihren Platz, und während sie sich fragen, was es zu bedeuten hat, dass der Mensch genetisch zu über 50 Prozent mit einer Banane übereinstimmt, kriegt einer die Kurve und eine andere die Panik. Viel war die Rede von denen über 30. Doch was machen die mit Mitte 20? Ausbildung, studieren, etwas anderes, alles anders. Feiern, die Welt verbessern, labern. Aber das Leben: Ist das schon das Leben? Ist das alles schon ernst? Während sie noch darauf warten, dass es beginnt, müssen sie erkennen, sie sind längst mittendrin. Und aus diesem Mittendrin stürzt sich jemand von der Brücke und einer schaut zu. Birgit Birnbacher ist eine neue, sehr eigenwillige Stimme, die Empathie und Präzision zusammenzubringen versteht.
Birgit Birnbacher, *1985, arbeitete als Behindertenpädagogin in der Kinder- und Jugendarbeit, u.a. in Äthiopien und Indien, studierte Sozialwissenschaften in Salzburg, wo sie als Soziologin und Autorin lebt. Seit 2011 erste Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.
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