Mo, 19:00
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Lesungen LIESL UJVARY • ANN COTTEN
Autobiografien mit Anleitungen und Abschweifungen – Lesungen und Gespräche • LIESL UJVARY (Wien) liest aus SICHER & GUT. Experimentelle poetische Texte (Rhombus Verlag, 1977; Klever Verlag, 2017) • ANN COTTEN (Berlin) liest aus JIKIKETSUGAKI Tsurezuregusa (Verlag Peter Engstler, 2017) • Einleitungen und Moderation: MARKUS KÖHLE
Die Dichterin Monika Rinck schreibt: Soeben erschien im Klever Verlag die Neuauflage des Buches »Sicher & Gut« der österreichischen Autorin und Künstlerin Liesl Ujvary, 40 Jahre nach seiner Erstauflage 1977, was eine sehr gute Sache ist. Ich würde sogar sagen: Es ist das Buch der Stunde. Wie in einem Lehrbuch für Grammatik oder einem Laboratorium werden dialektische Gegenstände aufgelistet, die Macht und Entmachtung der Sprache und ihre Funktionsweise als Ideologiegenerator vorgeführt. Die Dichterin Ann Cotten schreibt: Die Sammlung gewitzter, schlichter und in sich ruhender Texte bewegt sich wie das Zünglein einer Waage zwischen einer ernsten und einer humoristischen Lesart (natürlich sind beide verquickt). Je nachdem, mit welcher Erwartung man sich den Texten nähert, können sie als Beitrag zur literarischen Komödie der Menschheit erscheinen, als Satire spezifisch österreichischer Lebensmethodik oder als modernistisch-analytische Deskription düsteren, repressiven Nachkriegslebens. Auf jeden Fall stellen sie dessen existentielles Rückgrat heraus.
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Der Verlag Peter Engstler teilt mit: Jikiketsugaki bezeichnet einen hungrigen Dämon, bekannt aus einem Text in Lafcadio Hearns Geistersammlung KWAIDAN, wo die wiedergeborenen Unersättlichen gemeint sind, die als Stechmücken den Wasserschalen auf Friedhöfen entsteigen. Tsurezuregusa hingegen ist der Titel einer Sammlung von kurzen Beobachtungen des Mönchs Kenko, dessen philosophische Gelassenheit bei gleichzeitigem pointierten Scharfsinn der Beobachtung seit Jahrhunderten als vorbildlich gilt. Dass schon die Titel geklaut sind, zeigt die Autorin als Beispiel für ersteren Typus. Kenkos Titel rechtfertigt indessen eben die Art vielseitigen und ungeordneten Interesses, die sie nach Japan und zu den Kanji und von ihnen weg und durch die Straßen treibt, auf Wegen, die sinnreich und banal wie Schriftzeichen sind. Der Verdacht, dass sie sich wiederholen, wenn man sie nur wiedererkennen könnte, macht leise Hoffnungen auf eine Weltordnung, in der auch quälende, gequälte Geister Platz haben mit ihren übertriebenen Wahrnehmungen und extravaganten, ausfluchtsähnlichen Einsichten.
Liesl Ujvary, *1939 in Pressburg/ČSSR. Studium der Slawistik, althebräischer Literatur und Kunstgeschichte in Wien und Zürich. 1968 Promotion in Zürich, 1970/71 Lehrauftrag an der Sophia University in Tokio, längere Studienaufenthalte in Moskau. Seit 1972 als freie Schriftstellerin in Wien. Publiziert poetische Texte, Prosa, Essays, Fotografien, Videos und radiophone Arbeiten. 1975 Herausgabe von Freiheit ist Freiheit – Inoffizielle sowjetische Dichtung (Arche Verlag Zürich).
»Ann Cotten, *1982 usw.«, lautet die Biografie in Jikiketsugaki Tsurezuregusa. Usw. wäre beispielsweise: Bei Suhrkamp erschienen von ihr bislang Fremdwörterbuchsonette (2007), Florida-Räume (2010), Der schaudernde Fächer (2013) und Verbannt! (2016). Ihre literarische Arbeit wird nicht nur in der Literaturszene, sondern auch in den Bereichen der Bildenden Kunst und der Theorie geschätzt und wurde zuletzt mit dem Klopstock-Preis und dem Ernst-Bloch-Förderpreis ausgezeichnet. Sie lebt in Wien und Berlin.
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