Di, 18:00
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Reihe GEISTESERFRISCHUNG. Inspirationen aus Lebenswelt und Zeitentiefe …
… 4/2017: FOKUS auf HERMANN SCHÜRRER (1928–1986) • PETER ROSEI (Wien) liest und kommentiert • Hermann Schürrer: Klar Schilf zum Geflecht. Das ABC von A–Zet. Lyrische Texte 1954–1984 (Hg. Lui Dimanche, Medusa Verlag, 1984)
»Später kommt Schürrer mit nassen Socken, einer Notiz auf einer Dreierschachtel und dem Bewusstsein, Österreichs bedeutendster Lyriker der Gegenwart zu sein«, beschreibt Günther Brus eine Szene in der heute nicht mehr bestehenden Weinhalle Zum Grenadier, und weiter: »Schürrer warf eine Faust voll Idiotismen auf den Tisch.« Schürrers Lyrik kannten die wenigsten, dabei hatte er 1970 einen ersten Band vorgelegt, »Der kleinere Teil einer größeren Abrechnung«, daneben auch Prosatexte, alle aber kannten den Freak im verstunkenen Wintermantel, den Outlaw mit der ewigen Bierflasche in der Hand. Schürrer – der Apoll mit der defekten Leier? Zum Apoll braucht es wohl keine Erklärung, vielmehr aber zu dieser ganz speziell gestimmten Leier. 1984, zwei Jahre vor seinem Tod, erschien dann der Monumentalband »Klar Schilf zum Geflecht«, der alle lyrischen Texte Schürrers versammelte, und auf den wir uns hier beziehen wollen: »Schäk händs!«, wie Schürrer so gern sagte. (Peter Rosei)
Hermann Schürrer, *1928 in Kohlgrube/Wolfsegg (OÖ). Vater Bergmann. Mit 15 ½ Jahren Luftwaffenhelfer (8,8 cm FLAK in Linz/ VOEST, damals die Hermann Göring Werke, Befehlsverweigerung, Versetzung in andere Batterie. Hörte zum ersten Mal vom Hauptmann von Köpenick, war sehr beeindruckt. Schwierigkeiten mit dem Hauptmann, weil ich Wilhelm Busch las und realisierte. Versetzung in andere Batterie, 6 km Richtung Mühlviertel. Ich brauchte für diesen Weg drei Tage, da ich drei Tage in Linz blieb. Gefängnis. […] Machte im Kuchelauerhafen/Wien die Offiziersprüfung. Fiel durch, wahrscheinlich weil ich als meine Vorbilder Cäsar und Catalina anführte, nicht Armin den Cherusker und Hitler. Die Einberufung zur Kriegsmarine erhielt ich im April 1945. Ich fuhr erst gar nicht mehr an die Nordsee. […] Realgymnasium unbefriedigend = glaubte noch an die totale Aufschlüsselung und Beantwortung aller Fragen. […] Wollte Philosophie studieren. 1951 in Wien. Zuerst Geschichte und Psychologie, hörte Philosophie. Frustrierend. Dann Englisch und Germanistik. Studierte dann Jus. Ebenso frustrierend. […] Ich beschloß, ausschließlich Gedichte zu schreiben, um kein Geld zu verdienen. Arbeitete für 4 Schilling pro Stunde bei einem Werbegrafiker, Drahtpuppen lötend und Mosaiksteinchen legend (für die Stadthalle) etc. Lebte in Kaffeehäusern, Konflikte mit der Polizei, Amtsehrenbeleidigungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Psychiatrie, Irrrenhaus. Summa: 2 Jahre Gefängnis + 2 Jahre Irrenhaus. Aus Irrenhaus zum Schluß wegen Unbelehrbarkeit nach 11 Tagen entlassen. […] Aus der Gefängnisbibliothek las ich im Gefängnis: »Die französische Revolution« von Kropotkin. Seither ist mein akademisches Weltbild nur mehr ein Comic strip, da ich Schulfakten und akademische Interpretationen mit Fakten konfrontiere. Da bleibt kein Auge trocken. (aus Hermann Schürrer: Lebenslauf). 1975 gründete er zusammen mit Gerhard Jaschke Freibord. Kulturpolitische Gazette. Er starb am 29.11.1986 in Wien. Buchpublikationen: Der kleinere Teil einer größeren Abrechnung. Lyrik und Prosa (1970); Europa: Die Toten haben nichts zu lachen. Prosa (1971); Kriminelle Spielereien in der Sandkiste der Weltverbesserer. Ein Märchenbuch für frühreife Erwachsene (1978); Goethe darf kein Einakter bleiben (mit Gerhard Jaschke, 1978); Der letzte Yankee-Doodle vor dem Untergang der Vereinigten Staaten. Voräffung einer Liquidation (1981); Klar Schilf zum Geflecht. Lyrische Texte 1954–1984 (1984).
Peter Rosei, *1946 in Wien, Studium der Rechtswissenschaften, seit 1972 freier Schriftsteller, lebt in Wien; Veröffentlichung von Romanen, Hörspielen, Essays, Gedichtbänden, Theaterstücken und Übersetzungen. Zuletzt erschienen: Österreichs Größe, Österreichs Stolz. Ideentheater (2008); Das große Töten. Roman (2009); Geld! Roman (2011); Madame Stern. Roman (2013); Die Globalisten. Roman (2014); Brown vs. Calder. Gedanken zur Dichtkunst (2015); Was tun. Essays zu Politik und Ökonomie (2016).
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