Mo., 19:00
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GRUNDBÜCHER der österreichischen Literatur seit 1945
66. Grundbuch: GERT JONKE (1946–2009): ES SINGEN DIE STEINE. Ein Stück Naturtheater (Uraufführung Klagenfurt, 1998; Residenz Verlag, 1998; Jung und Jung Verlag, 2001) • MIEZE MEDUSA und MARKUS KÖHLE lesen (mit Zustimmung des Jung und Jung Verlages) und kommentieren, EVELYN DEUTSCH-SCHREINER (Kunstuniversität Graz) referiert • Diskussion; Redaktion und Moderation: KLAUS KASTBERGER (Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung, Universität Graz) • 10.10., 19.30, Linz, Stifter-Haus + 12.10., 19.00, Literaturhaus Graz • Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 (Hg. K. Kastberger, K. Neumann) – Erste Lieferung (profile 14, Zsolnay, 2007); Zweite Lieferung (profile 20, Zsolnay, 2013) • gemeinsam mit dem Adalbert-Stifter-Institut, Linz, und dem Literaturhaus Graz
In diesem als Zaubermärchen gestalteten Weltuntergangsdrama zeigt Gert Jonke eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. Die Natur, ob Berge, ob Ozean, begehrt auf, genauso wie die Menschen, die von einem autoritären König regiert werden. Ausgestattet mit einem Tuch, einem Hut und einem Horn, die Zauberkraft besitzen, macht sich Wildgruber, der »Kulturheld« des Stückes, auf den Weg: um Wunder zu vollbringen, aber auch auf der Suche nach sich selbst, nach seinen Erinnerungen und seiner Geschichte, die sich jedoch merkwürdigerweise gleichzeitig an verschiedenen Orten erst zuträgt. Die Welt treibt auf ihren Untergang zu, doch ist wirklich alles verspielt?
Gert Jonke ist mit diesem Stück die Quadratur des Kreises gelungen: ein Stück, das auf alle Fragen, die sich derzeit stellen, von der Macht der Großkonzerne bis zu ökologischen Bedrohungen, von den Möglichkeiten der Physik bis zu den Unmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft, anspielt und zugleich reine Poesie ist.
Jonkes überwältigender, bisweilen auch aggressiver Witz, seine barocke Bildflut ist durchzogen von zarten Tönen, auch von melancholischen. Alle Stimmungslagen sind hier angeschlagen, alle Schnitte durch die Welt überraschend gesetzt und einleuchtend.
In »Es singen die Steine. Ein Stück Naturtheater« von Gert Jonke brüllen Felswände, behindern und verweigern sich Wald- und Obstbäume. Die Natur und einige Menschen leisten Widerstand gegen Ausbeutung, Gentechnologie, Überbürokratie und Großkonzerne. Wildgruber, einer, der vom Himmel gefallen ist und über drei Zaubermittel verfügt, versucht vor der drohenden Apokalypse zu helfen. Doch muss er sich auch selber finden. Gert Jonke zählt zu den bedeutenden sprachmächtigen österreichischen Dramatikern, die um die Jahrtausendwende beigetragen haben, die Theaterästhetik in Richtung postdramatisches Theater weiter zu entwickeln. Eine Re-Lektüre nach 20 Jahren zeigt, dass das Stück, das 1998 uraufgeführt wurde, nicht nur thematisch nach wie vor brisant, sondern auch in Dramaturgie und Sprache reizvoller denn je ist. (Evelyn Deutsch-Schreiner)
Gert Jonke, *1946 in Klagenfurt, †2009 in Wien. Prosa- und Hörspieltexte sowie, ab den 90ern vermehrt, Arbeiten fürs Theater. Werke (u.a.): Geometrischer Heimatroman (1969); Schule der Geläufigkeit. Erzählung (1977); Erwachen zum großen Schlafkrieg. Erzählung (1980); Der Kopf des Georg Friedrich Händel. Prosa (1988); Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist. Eine Theatersonate (1990); Opus 111. Ein Klavierstück (1993); Chorphantasie. Konzert für Solo-Dirigent auf der Suche nach einem Orchester (2003). Auszeichnungen (u.a.): Ingeborg-Bachmann-Preis (1977), Erich-Fried-Preis (1997), Großer Österreichischer Staatspreis (2001), Kleist-Preis (2005).
Markus Köhle, *1975 in Nassereith, Studium der Germanistik und Romanistik in Innsbruck und Rom, lebt in Wien. Literarisch, literaturkritisch, -wissenschaftlich und auch als Literaturveranstalter aktiv. Zuletzt erschien (u.a.): Kuhu, Löwels, Mangoldhamster. Die vier Jahreszeiten der Wolpertinger (mit Sabine Freitag, 2015); Jammern auf hohem Niveau. Ein Barhocker-Oratorium (2017).
Mieze Medusa, *1975 in Schwetzingen, Studium der Germanistik und Anglistik in Innsbruck, lebt in Wien. Autorin, Poetry-Slammerin, Poetry-Slam-Veranstalterin, Musikerin; Arbeiten fürs Theater; Zuletzt erschien (u.a.): Meine Fußpflegerin stellt Fragen an das Universum. Geschichten (2015); Alles außer grau. Texte to go (mit Markus Köhle; Buch und CD, 2016).
Evelyn Deutsch-Schreiner, Studium der Theaterwissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Wien. Mehrjährige Tätigkeit als Dramaturgin, seit 1999 Professorin für Dramaturgie, Theater- und Literaturgeschichte an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Zahlreiche Publikationen, zuletzt: Theaterdramaturgien von der Aufklärung bis zur Gegenwart (2016).
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