Do, 19:00
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GRUNDBÜCHER der österreichischen Literatur seit 1945
64. Grundbuch: ROBERT SCHINDEL: FREMD BEI MIR SELBST. Die Gedichte 1965–2003 (mit einem Nachwort von Marcel Reich-Ranicki; Suhrkamp Verlag, 2004) • Robert Schindel (Wien) liest seine Gedichte • NICO BLEUTGE (Berlin; Erich-Fried-Preis 2012) Referat • Diskussion; Redaktion und Moderation: KLAUS KASTBERGER (Universität Graz) • 28.3., 19.30, Linz, Stifter-Haus • Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 (Hg. K. Kastberger, K. Neumann) – Erste Lieferung (profile 14, Zsolnay, 2007); Zweite Lieferung (profile 20, Zsolnay, 2013)
Natur, Liebe, Poetologie, Sprachreflexion, Existenz mögen die Themen von Schindels liedhafter Dichtung sein, ihr Grundton ist seit je, und nicht erst mit dem Gewahr-Werden des eigenen Alterns, melancholisch. Zu seinem sechzigsten Geburtstag erschien 2004 ein Sammelband seiner bis dahin verfassten Gedichte. Sinnlichkeit und Lebenslust ziehen darin ihre Spuren, die sich mit der Sprachlosigkeit vor vergangenen und gegenwärtigen Bedrohungen und Gräueln stets kreuzen. An diesen Schnittpunkten ereignen sich die Momente der dichterischen Kreativität: In Liedern, Balladen, Elegien, Sonetten, reimlosen Gedichten und – zuweilen auch – im dialektischen (Polit-)Gedicht erblühen neue Wortschöpfungen, werden entgegengesetzte Stimmungen wie im Film miteinander montiert, erklingen zeitgenössische Echos Heines und Celans.
Marcel Reich-Ranicki im Nachwort zu Fremd bei mir selbst: Er wechselt oft die Töne seiner Dichtung, deren Motive und Melodien. Aber widerborstig, gegen den Strich gebürstet, sind Robert Schindels Verse allemal und immer wieder. Rau und hart ist seine Stimme, vom Gefälligen will er nichts wissen, er hasst und verachtet es…Was immer er gedichtet hat, es sind Verse eines Fliehenden, eines Gejagten und Gehetzten, eines Autors, der mehrfach preisgekrönt wurde, aber nicht integriert ist, eines Menschen, der letztlich keine Heimat hat… Seine Verse verdanken ihren unverwechselbaren Reiz der ständigen Verwendung und Verflechtung von Vokabeln und idiomatischen Ausdrücken sehr unterschiedlicher Art und Herkunft. Schindel profitiert oft vom Slang, Jargon und Dialekt, von Wienerischem und Jiddischem. In seinen Gedichten finden sich auch immer wieder kryptische Zitate und aufschreckende Anspielungen, kühne Neologismen ebenso wie Wortspiele und verblüffende Wortverbindungen.
Robert Schindel, *1944 in Bad Hall als Sohn verfolgter Eltern (der Vater wurde im KZ ermordet). Buchhändlerlehre, Bibliothekar, externe Matura, journalistische Arbeit. Seit 1985 freischaffender Schriftsteller, leitete drei Jahre das Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Erste Publikationen im »literarischen Untergrund« 1970. Seit der Gedichtsammlung Fremd bei mir selbst (2004) erschienen die Lyrikbände Wundwurzel (2005), Mein mausklickendes Saeculum (2008) und Scharlachnatter (2015). Prosawerke: Kassandra. Roman (1970/2004); Gebürtig. Roman (1992); Die Nacht der Harlekine. Erzählungen (1994); Gott schütz uns vor den guten Menschen. Jüdisches Gedächtnis – Auskunftsbüro der Angst. Reden und Vorträge (1995); Mein liebster Feind. Essays (2004); Der Krieg der Wörter gegen die Kehlkopfschreie. Das frühe Prosawerk (2008); Dunkelstein. Eine Realfarce (2010); Man ist viel zu früh jung. Essays, Reden und Bekenntnisse (2011); Der Kalte. Roman (2013); Don Juan wird sechzig. Heiteres Drama (2015).
Nico Bleutge, *1972 in München, Studium der Neueren Deutschen Literatur, Allgemeinen Rhetorik und Philosophie in Tübingen. Er lebt als Lyriker, Essayist und Literaturkritiker in Berlin. Auszeichnungen (u.a.): Anna Seghers-Preis 2006, Erich-Fried-Preis 2012, Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik 2016. Publikationen: klare konturen. Gedichte (2006); fallstreifen. Gedichte (2008); verdecktes gelände. Gedichte (2013); nachts leuchten die schiffe. Gedichte (2017).
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