Mo, 19:00
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60. Grundbuch: GERHARD FRITSCH: FASCHING
GRUNDBÜCHER der österreichischen Literatur seit 1945 – gemeinsam mit dem Adalbert-Stifter-Institut, Linz •
GERHARD FRITSCH (1924-1969): FASCHING. Roman (Rowohlt Verlag, 1967) • ROLAND KOBERG (Wien – Berlin) liest* und kommentiert • KLAUS AMANN (Klagenfurt) Referat • Diskussion, Redaktion und Moderation: KLAUS KASTBERGER (Universität Graz) • 10.5., 19.30, Linz, Stifter-Haus • Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945 (Hg. K. Kastberger, K. Neumann) – Erste Lieferung (2007); Zweite Lieferung (2013) • *mit freundlicher Zustimmung des Suhrkamp Verlages
Der Roman Fasching (1967) von Gerhard Fritsch (1924–1969) erzählt die Geschichte des Deserteurs Felix Golub, der in einer steirischen Kleinstadt von einer Baronin versteckt und, als Dienstmädchen verkleidet, zu ihrem Liebhaber gemacht wird. Gänzlich ungeplant gelingt es ihm, den Ort vor der Zerstörung zu bewahren, was ihm die Bewohner danken, indem sie ihn bei den Sowjets denunzieren, die ihn nach Sibirien verschleppen. Als er nach zehnjähriger Kriegsgefangenschaft im Jahr des Staatsvertrags in den Ort zurückkehrt, in dem gerade Fasching gefeiert wird, schlägt ihm blanker Hass entgegen. Zur Erinnerung an seine »Heldentat« wird er abermals als Frau verkleidet und zur Faschingsprinzessin gekürt. Der Roman zielt ins Mark der Zweiten Republik. Das friedliche Bild einer zivilen Gesellschaft erweist sich als Maskerade, hinter der die alten Fratzen lauern. Die Protagonisten und Honoratioren von einst und jetzt haben zwar ihre Uniformen gegen das Trachtengewand ausgewechselt, sie sind jedoch geblieben, was sie waren. »Vergangenheitsbewältigung« auf österreichisch – zwanzig Jahre vor Waldheim. Das Buch war ein absoluter Misserfolg. (Klaus Amann)
Der Wiener Schriftsteller Gerhard Fritsch (1924–1969) schuf mit seinem verkannten Opus magnum »Fasching« das eindrucksvolle Panorama einer Kommune ohne Reue, sexuell aufgeladen und politisch aggressiv. In wechselnden Masken und Kleidern wird der Ausnahmezustand Fasching zum Gesetz erklärt. Die von Roland Koberg erarbeitete Spielvorlage bringt Anna Badora erstmals in Österreich auf die Bühne. Zum Auftakt ihrer Künstlerischen Direktion im Volkstheater widmet sie sich einem exemplarischen Roman der österreichischen Vergangenheitsbewältigung und des schwarzen Humors. (Volkstheater Wien)
Gerhard Fritsch, *1924 in Wien. Kriegsdienst im Saarland, dann als »Funker« in Skandinavien und Russland. Nach Kriegsende Studium der Germanistik und Geschichte in Wien. Ab 1959 freier Schriftsteller; Mitherausgeber der Literaturzeitschriften Protokolle und Literatur und Kritik. 1969 Freitod. Werke (Auswahl): Zwischen Kirkenes und Bari (1952); Lehm und Gestalt. Gedichte (1954); Dieses Dunkel heißt Nacht. Ein Gedicht (1955); Moos auf den Steinen. Roman (1956); Der Geisterkrug. Gedichte (1958); Paschas und Pest. Gesandtschaft am Bosporus (1962); Das Buch vom Burgenland (mit Bildern von Johannes Zachs, 1968); Katzenmusik. Prosa (1974); Gesammelte Gedichte (1978); Thomas Bernhard/Gerhard Fritsch: Der Briefwechsel (2013). Seit 2014 Werkausgabe in Einzelbänden im Korrektur Verlag.
Klaus Amann, *1949 in Mittelberg/Vorarlberg, bis zur Emeritierung Professor für neuere deutsche Literatur an der Universität Klagenfurt und Leiter des Robert Musil-Instituts. Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik 2009. Zahlreiche Publikationen zur Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Gegenwartsliteratur und zu österreichischer Institutionengeschichte, darunter: P.E.N. Politik. Emigration. Nationalsozialismus. Ein österreichischer Schriftstellerclub (1984); Der Anschluß österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich (1988); Zahltag (1988); Die Dichter und die Politik (1992); »Denn ich habe zu schreiben. Und über den Rest hat man zu schweigen.« Ingeborg Bachmann und die literarische Öffentlichkeit (1997); Gert Jonke (Hg., 1998); Werner Kofler (Hg., 2000); Wut und Geheimnis. Peter Handkes Poetik der Begriffsstutzigkeit (mit Peter Handke, 2002); Kärnten. Lesebuch (Hg., 2002); Ungefragt. Über Literatur und Politik (Hg., 2006); Peter Turrini – Schriftsteller. Kämpfer, Künstler, Narr und Bürger (Hg., 2007); Robert Musil – Literatur und Politik. Mit einer Neuedition ausgewählter politischer Schriften aus dem Nachlass (2007); Mitherausgabe von Robert Musil. Klagenfurter Ausgabe (2009) und jüngst von Christine Lavants Werken in vier Bänden.
Roland Koberg, *1967 in Linz, Studium der Germanistik in Wien, Theaterkritiker und Kulturredakteur (u.a. Falter, Die Zeit). Seit 2001 Dramaturg, u.a. am Deutschen Theater Berlin und am Schauspielhaus Zürich, seit 2015 am Volkstheater Wien. Buchveröffentlichungen zu Claus Peymann und Elfriede Jelinek.
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