Mo, 18:00
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STUNDE DER LITERARISCHEN ERLEUCHTUNG – WOLFGANG HILDESHEIMER • KLAUS HOFFER
WOLFGANG HILDESHEIMER (1916, Hamburg – 1991, Poschiavo; Hörspielpreis der Kriegsblinden 1955, Büchnerpreis 1966) TYNSET. Rondo in Prosa (Suhrkamp Verlag, 1965) • KLAUS HOFFER (Graz) liest und kommentiert • mit freundlicher Zustimmung des Suhrkamp Verlages
Wolfgang Hildesheimer zählte vier Jahrzehnte lang zu den Maßstäbe setzenden Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Derzeit scheint es, als ob der „Literaturbetrieb“ das völlig vergessen wollte. Klaus Hoffer zeigt, weshalb Tynset ein hervorragendes Buch der deutschen Literatur bleibt. Er schreibt: Vor hundert Jahren wurde Wolfgang Hildesheimer geboren, mit dreißig begann er seine Tätigkeit als Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen, mit knapp fünfzig vollendete er nach drei Jahren Arbeit die am Stil von James Joyce und Djuna Barnes geschulte »monologische Prosa« »Tynset« – kein Roman (so Hildesheimer), eher eine Variante der musikalischen Form des Rondos.
Immer wieder stellt sich dem schlaflos nachtwandelnden Ich auf seinem Gang durchs Haus Hamlets Vater in den Weg, um es an das Entsetzliche zu gemahnen, das geblieben ist, da die Mörder von ehedem straflos zugange sind. Und so wie der Erzähler in seiner ehemaligen Heimat Deutschland auf Telefonbücher als auf etwas Unverfängliches in dieser Welt, die aus den Fugen ist, zurückgriff, etwas Verlässliches, Vertrauenerweckendes, greift er in der neuen Heimat auf Kursbücher zurück. Doch auch hier trügt der Schein: Überall stößt er auf Schuld. Waren es im Telefonbuch die Namen überlebender Nazimörder, ist es im Kursbuch Hamar, Nachbarort des imaginierten Tynset, ein Ort der Schrecken, in dem ein deutscher Besatzungskommandant dreizehn Einwohner erhängen ließ. Von diesen Gespenstern um den Schlaf gebracht, wird der Erzähler selbst zu einem Gespensterhaften, der den Leser um den Schlaf bringt.
Wolfgang Hildesheimer, *1916 in Hamburg. 1933 Emigration nach Palästina, 1937–39 Kunststudium in London. Nach Kriegsende Simultandolmetscher bei den Nürnberger Prozessen, freischaffender Maler und Grafiker in Deutschland, ab 1950 schriftstellerische Arbeit: Prosawerke, Dramen, Hörspiele und Übersetzungen (u.a. Djuna Barnes, James Joyce, George Bernard Shaw); Übersiedelung nach Poschiavo (Schweiz). 1983 bewusste Aufgabe der literarischen Produktion, weiterhin erscheinen Essays und Rezensionen, daneben bildkünstlerische Arbeiten, insbesondere Collagen. †1991 in Poschiavo. Auszeichnungen u.a.: 1955 Hörspielpreis der Kriegsblinden (für Prinzessin Turandot), 1966 Georg-Büchner-Preis und Bremer Literaturpreis (für den Roman Tynset), 1983 Großes Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 1991 erschienen bei Suhrkamp die Gesammelten Werke in sieben Bänden (Hg. Christiaan L. Hart Nibbrig und Volker Jehle).
Klaus Hoffer, *1942 in Graz. Studium der Germanistik, Anglistik und Altphilologie. Autor und Übersetzer aus dem Englischen (u.a. Raymond Carver, Joseph Conrad, Nadine Gordimer, Jakov Lind, Kurt Vonnegut und Lydia Davis). 1980 Rauriser Literaturpreis, 1981 Alfred-Döblin-Preis. Publikationen (u.a.): Das Bild des Kindes im Werk Franz Kafkas (1970); Halbwegs. Bei den Bieresch 1 (1979); Am Magnetberg. Ein Fragment (1982); Der große Potlatsch. Bei den Bieresch 2 (1983); Methoden der Verwirrung. Betrachtungen zum Phantastischen bei Franz Kafka (1986); Pusztavolk. Essays (1991); Die Nähe des Fremden. Essays (2008).
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