Mo, 16:30
LQ
HORCHPOSTEN III. MILO RAU
Exemplarische Hörspielproduktionen von MILO RAU (Köln): Vorführungen von Hate Radio (53 min, WDR/ORF 2013); The Dark Ages (ca. 55 min, WDR 2016) • mit freundlicher Zustimmung von WDR und ORF, mit freundlicher Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung PRO HELVETIA
12.-14.3. HORCHPOSTEN will das Hörspiel als eigene Kunstform feiern! Eingeladen sind Hörspielmacher, deren Zugang zum Text, zur Textproduktion ein ganz besonderer ist, deren Werk relevant und zeitgenössisch ist. Die Veranstaltung versteht sich als Werkschau, die nachmittags Hörspiele in kompletter Länge präsentiert und am Abend zur vertiefenden Diskussion zum Werk, der Konzeption Hörspiel mit dem jeweiligen Hörspielmacher lädt. Drei Tage, drei Positionen: Rimini Protokoll, Paul Plamper und Milo Rau. Gemeinsam ist ihnen, dass ihre Arbeiten dokumentarische theatrale Formate erproben und ergründen. Gemeinsam ist ihnen, dass Theater, Performance und Installation oft Grundlage ihrer Hörspielarbeiten sind. Exemplarisch ist ihre je eigene Herangehensweise an die Textproduktion.
Rimini Protokolls Protagonisten sind Experten und Betroffene, Experten der eigenen Biografie. Es werden die Möglichkeiten einer Repräsentation jenseits eines »Als ob« erkundet, wie Realität respektive Authentizität parallelisiert werden mit Fiktion. Bernd Stegemann spricht in diesem Zusammenhang von Riminis Mimesis: Rimini Protokoll verwandelt »Realität in Darstellung und gibt dem Dargestellten eine Realität«. Bearbeitung und die Suche nach einer sprachlichen Form verwandeln biografisches, dokumentarisches Material in Text.
Paul Plampers Texte entstehen überwiegend via Improvisation mit den Schauspielern: »Meine Fassung besteht oft aus einem präzise gebauten Handlungsgerüst, Szenen- und Dialogentwürfen und vor allem Figurenprofilen. Wenn wir dann loslegen, landet sie dann aber irgendwo in der Ecke, weil sie beim Spielen stört. Wir ›überspielen‹ sie. Ich finde es für den Prozess absolut gut, wenn der Spieler zum Filter meiner Idee wird und sich die Szenen weiterentwickeln. Im Anschluss schneiden wir in einem langen Prozess die Varianten dieser Improvisationen zusammen. Wir verdichten und musikalisieren sie auf eine unmerkliche Art zu einem Konzentrat.« So entstehen Texte mit einem hohen Grad an Authentizität.
Milo Raus Arbeit ist gekennzeichnet von Recherche und Verdichtung, dem Sammeln persönlicher Erlebnisberichte, ist der oral history verpflichtet: »Ich recherchiere ja immer sehr lange und sehr ausführlich vor Ort, spreche mit sehr vielen Leuten. Aber nicht, um irgendwelche Dokumente zu finden, die ich dann abbilden oder verfremden könnte: Nein, um ein Gefühl zu bekommen, eine Legitimation dafür, im Anschluss völlig frei zu assoziieren. Das Schreiben eines Stücktexts dauert bei mir deshalb immer sehr lange und ist äußerst mühsam, denn das ist der Übergang von den Tatsachen, von den Erzählungen zu etwas wie einer realen Situation, die von sich aus spricht.« Er ist eben keinesfalls Dokumentarist: »Gerade weil es keine dokumentarische Wahrheit gibt, jedenfalls nicht im wirklichen Leben, braucht es die Kunst – die so etwas wie eine künstlerische Wahrheit schaffen kann.« Historische Rekonstruktion interessiert Rau nicht, es gilt genau zu differenzieren zwischen dem bloß Realität vorspielenden und dem Realität bildenden Als-ob: »Das scheinbare Eins-zu-Eins ist das Ergebnis durchgehender Fiktionalisierung.«
(FALKNER)
Helgard Haug, Daniel Wetzel und Stefan Kaegi bilden seit 2000 ein Autoren-Regie-Team. Ihre Arbeiten im Bereich Theater, Hörspiel, Film, Installation entstehen in Zweier- und Dreier-Konstellationen sowie Solo. Seit 2002 firmieren ihre Arbeiten unter dem Label Rimini Protokoll. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Weiterentwicklung der Mittel des Theaters, um ungewöhnliche Sichtweisen auf unsere Wirklichkeit zu ermöglichen.
Situation Rooms (2014) wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Karl Marx: Das Kapital. Erster Band gewann 2007 beim Festival Stücke sowohl den Publikumspreis als auch den Mülheimer Dramatikerpreis 2007. 2007 erhielten Haug/Kaegi/Wetzel einen Sonderpreis des Deutschen Theaterpreises DER FAUST. 2008 Europäischer Theaterpreis in der Kategorie »Neue Realitäten«. 2008 Hörspielpreis der Kriegsblinden für Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. 2011 wurde das Gesamtwerk von Rimini Protokoll mit dem Silbernen Löwen der 41. Theaterbiennale Venedig ausgezeichnet. 2014 Deutscher Hörspielpreis der ARD. 2015 Deutscher Hörbuchpreis der ARD. 2015 erhielten Stefan Kaegi und Rimini Protokoll den Grand Prix des Schweizer Theatertreffens.
Paul Plamper, *1972 in Ulm, lebt als Hörspielmacher und Theaterregisseur in Berlin. Theaterprojekte u.a.: Projekt RAF nach Briefen von Gefangenen der RAF und Artaud erinnert sich an Hitler und das romanische Café (mit Martin Wuttke) am Berliner Ensemble. Mit Der Auftrag inszenierte er die erste türkische Heiner-Müller-Aufführung (Stadttheater Istanbul). Für den WDR realisierte er Hörspiele wie TOP HIT leicht gemacht (Prix Europa 2002), HOCHHAUS (Teil 1–3, 2006), TACET (Ruhe 2) (Prix Europa 2011) und DER KAUF (u.a. Deutscher Hörspielpreis der ARD 2013). 2005–2007 kuratierte Plamper die Veranstaltungsreihen »Hörspielzentrale« im Theater Hebbel am Ufer, Berlin-Kreuzberg, und den »Hörspielpark« am Theater Freiburg. 2008 gründete er die Vertriebsplattform www.hoerspielpark.de. Seit seiner Toninstallation im Palast der Republik 2006 realisiert Plamper Audioinstallationen. Mit RUHE 1 im Museum Ludwig zeigte er 2008/09 erstmals seine Form von dramatischer Skulptur aus Schallwellen, ein begehbares »Hörspiel im Raum«, dessen Radiofassung den Hörspielpreis der Kriegsblinden gewann.
Milo Rau, *1977 in Bern, lebt in Köln und Südfrankreich. Er studierte Germanistik, Romanistik und Soziologie in Paris, Zürich und Berlin. Dissertation über die Ästhetik des Reenactments. 1997 unternahm er erste Reportagereisen (Chiapas, Kuba) und war ab 2000 als Autor für die Neue Zürcher Zeitung tätig. Seit 2003 arbeitet Milo Rau als Regisseur insbesondere in Deutschland, Rumänien, Russland, der Schweiz, Frankreich und Belgien.
Milo Rau gründete im Jahr 2007 für die Produktion und Auswertung seiner künstlerischen Arbeiten die Theater- und Filmproduktionsgesellschaft IIPM (International Institute of Political Murder), die er seitdem leitet. Die Produktionen des IIPM stehen für eine neue, dokumentarisch und ästhetisch verdichtete Form politischer Kunst. IIPM konzentriert sich auf die mediale Bearbeitung historischer und gesellschaftspolitischer Konflikte. Theaterinszenierungen und Filme tourten durch bisher über 20 Länder und wurden zu den wichtigsten nationalen und internationalen Festivals eingeladen (u.a. Berliner Theatertreffen, Festival d’Avignon, Wiener Festwochen, Festival TransAmeriques). Neben seiner Arbeit für Bühne und Film ist Milo Rau als Dozent für Regie, Kulturtheorie und soziale Plastik an Universitäten und Kunsthochschulen tätig. 2013 erschien der Essay Was tun? Kritik der postmodernen Vernunft.
Christine Ehardt, Theater-, Film- und Medienwissenschafterin, Lektorin an der Universität Wien und der Kunstuniversität Bremen; Forschungsprojekte u.a.: »Ökonomie und Gender in der künstlerischen Reflexion von Frauen in Österreich« (2014–2015) und »Hörinszenierungen österreichischer Literatur im Radio« (2006–2009). Zuletzt erschienen: Ist das jetzt ein Monolog? Elfriede Jelineks Hörspiele als akustische (De-)Maskierungsorte, in: Hör!Spiel. Stimmen aus dem Studio (hg. v. Helmut Peschina, 2013); Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation (hg. mit Georgt Vogt und Florian Wagner, 2015).
Margarete Affenzeller, *1971 in Freistadt/Oberösterreich. Studium der Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaft; seit 1997 im Kulturressort des Standard, Beiträge für Theater der Zeit. Robert Woelfl, *1965 in Villach, lebt als freier Dramatiker und Hörspielautor in Wien. Leitung der Hörspieltage in Neulengbach/NÖ, Lehrauftrag für Szenisches Schreiben am Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst in Wien. Jüngste Produktionen: Keine Zeit für Klassenkampf (UA Werk X, 2014); Dunkle Geheimnisse kaufen Kunst (SRF, 2015); Neues Leben im Falschen (ORF, 2015); Freiheit durch Hochseilartisten (UA Theater Nestroyhof Hamakom, 2015).
FALKNER, Schriftstellerin, Dramatikerin und Hörspielregisseurin. Als Michaela Falkner *1970 in Kollerschlag/Österreich. Promovierte in politischer Psychologie (zum Thema Verbale Konstrukte). FALKNER deklariert ihre Arbeiten, egal in welchem Medium, als Manifeste, eine Welt- und Sehnsuchtsformel entwickelt, festgehalten und fortgeschrieben in mittlerweile 51 Teilen. Der Gestus von FALKNERs Texten war von Anfang an einer, der über alle Gattungs- und Genregrenzen hinweg eine Ausdrucksform sucht, die Text mit performativen, theatralisch-deklamatorischen Mitteln inszeniert. Dieser Text ist immer Partitur, egal welches Medium, welche Bühne er nutzt, die Inszenierung ist ihm eingeschrieben.
Jüngste Hörspielarbeiten: Manifest 50 / DU DARFST MICH TÖTEN WENN DU MICH LIEBST (hr, 2016); Manifest 49 / DRAUSSEN UNTER FREIEM HIMMEL (WDR, 2015); Manifest 44 / DER SCHWARZE TRAUERZUG, AMSEL, DROSSEL, FINK UND STAR, DER RABE, DER RABE, DER UHU, DER UHU (ORF, 2014); Manifest 42 / HERZEN RAUBEN, WO DIE LIEBE AUSREICHEN WÜRDE (WDR, 2014). Bücher: Du blutest, du blutest (2011); Kaltschweißattacken. Requiem für vor Euphorie aufgeschlagene Knie (2009); Falkner II. Eine Moritat in siebzehn Bildern (2006); A Fucking Masterpiece (2005).
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LQ – Literarisches Quartier | Schönlaterngasse 9, 1010 Wien
Stufenloser Zugang zu Galerie (GLZ) und Schmiede-Werkstatt (AS)
Barrierefreies WC im Erdgeschoss
Zu Veranstaltungszeiten Behindertenparkplatz vor dem Haus Schönlaterngasse 13
Freier Eintritt bei allen Veranstaltungen in der Alten Schmiede!